Orgel
Schon mit den ersten Entwürfen für den Bau der Friedenskirche wurde klar, dass die Westempore für eine Orgelaufstellung keine günstigen Maßverhältnisse bekommen würde. Die Empore sollte ziemlich tief und sehr breit werden, die Höhe zwischen dem Fußboden auf der Empore und der Kirchendecke war für die Orgel zu gering.
Aus Professor Grubers Mitarbeiterkreis kam der Vorschlag, die Orgel auf der Südseite des Kirchenschiffs auf einer eigens dafür errichteten Musikempore an der Turmwand aufzustellen. Dieser Vorschlag wurde vom Kirchenvorstand bald angenommen.
Als man dann jedoch in die ersten konkreten Verhandlungen mit der Berliner Orgelbauwerkstatt Schuke eintrat, zeigte sich bei näherer Untersuchung, dass der für die Orgel vorgesehene Raum immer noch etwas zu knapp bemessen war. Es wurde deshalb der Vorschlag gemacht, die Empore wegfallen zu lassen und die Orgel zu ebener Erde aufzustellen und ganz natürlich in die Höhe zu entwickeln.
Dies wäre bei guter Raumausnutzung ohne große Schwierigkeiten möglich gewesen. Der Taufstein hätte dann eben einen anderen Platz in der Kirche finden müssen. Doch der Vorschlag scheiterte an den Fürsprechern des kleinen Fensters hinter dem Taufstein.
Um diese Stelle dennoch zu ermöglichen, wurde auf die Weiterführung des Pfeilers auf der Orgelempore verzichtet. Die Orgel setzt nun den Rhythmus der Pfeileranordnung fort; sie hatte so den unumgänglich notwendigen halben Meter gewonnen. Professor Schuke war nun bereit, die Orgel zu bauen.
Um für das Hauptwerk die erforderliche Höhe zu gewinnen, entschlossen sich die Mitarbeiter der Berliner Orgelbauwerkstatt, den Blasebalg unter der Windlade des Hauptwerks nicht wie üblich liegend, sondern aufrecht stehend anzuordnen. Dieser Entschluss war ein Wagnis, denn man hatte noch keinerlei Erfahrungen mit einer solchen Anordnung und bei einer so großen Windlade hätte es leicht ein Misserfolg werden können. Außerdem waren alle Beteiligten dafür, die Spielanlage der Orgel so klein wie möglich zu halten.
Es ließ sich überdies nicht umgehen, die gesamten Konstruktionszeichnungen und Grundrisse, insbesondere die der Pfeifenaufstellung, in natürlicher Größe anzufertigen – bei einem solchen Projekt eine besondere Herausforderung. Um für den Prospekt eine möglichst unverkrampfte Gestaltung zu erzielen, musste man noch darauf verzichten, die beiden größten Pfeifen des Principal 8‘ im Hauptwerk in den Prospekt zu stellen.
Am Anfang des Jahres 1966 war dann endlich der Prospekt- und Gehäuseentwurf fertiggestellt. Die zum Teil erheblichen technischen Probleme nahmen noch ziemlich viel Zeit in Anspruch. Ende Juni 1966 wurde das Stahlgerüst montiert und das Gehäuse aufgestellt. Anschließend kamen die Orgelteile und der größte Teil der Pfeifen hinzu. Dann erfolgte die allgemeine Montage der Orgel und der Einbau der Pfeifen. Das Gehäuse erhielt einen weißen Anstrich. Die Orgelabnahme fand am 6. Oktober 1966 nach eingehender Prüfung durch den landeskirchlichen Orgelsachverständigen Hans Martin Balz statt und beendete die Arbeiten.
Aufbau und technische Angaben zur Orgel
Anordnung
Das Hauptwerk der Orgel steht hoch über der Empore. Im Prospekt zu sehen sind die großen Pfeifen des Principal 8' und in den kleinen unteren Feldern die Pfeifen des Kornett 5fach. In die Brüstung eingelassen ist das Rückpositiv mit dem Principal 4' im Prospekt. An der Stirnwand der Kirche ist das Pedalwerk aufgestellt. Seine Prospektpfeifen sind die großen Pfeifen des Principal 16'. Das Pedalwerk steht auf zwei Windladen. Die untere Windlade liegt unmittelbar hinter den großen Prospektpfeifen, die obere Windlade liegt hinten an der Turmwand auf der gleichen Höhe wie die Windlade des Hauptwerks. Unter der oberen Pedalwindlade wurde das Gebläse eingebaut. Der Spieltisch mit der schwenkbaren Registrieranlage befindet sich am Unterbau des Hauptwerks.
Technik und Material
Die Spieltraktur ist mechanisch. Ihre Zugdrähte, Wellen und Ventile sind aus Aluminium, alle Lager sind als Spitzenlager ausgeführt. Die Registertraktur ist elektrisch. Die erforderlichen Bewegungen führen besonders dafür konstruierte Motoren der Firma Otto Heuß in Lich aus. Das Konstruktionsholz für die Windladen ist hauptsächlich Spo-Mahagoni. Alle Holzteile, die sich auf gar keinen Fall verziehen dürfen, sind aus besonderen Sperr- und Stäbchenplatten gebaut. Die Pfeifen sind aus Zinn-Bleilegierung. Zwei Register sind aus Holz: Der Subbaß 16' aus Mahagoni und die Posaune 16' aus Brasilkiefer.
Disposition
In ihren Grundzügen stand die Disposition von Anfang an fest. Schon von den Aufstellungsmöglichkeiten her schien eine Orgel mit Hauptwerk, Rückpositiv und Pedal die beste Raumausnutzung zu gewährleisten. In jedem der drei Werke sollte ein lückenlos ausgebauter Principalchor stehen, im Hauptwerk basierend auf Principal 8', im Rückpositiv auf Principal 4' und im Pedal auf Principal 16'. Daneben sollten im Hauptwerk noch Begleitregister und im Rückpositiv eine Anzahl von Solo-Registern bereitstehen. Entsprechend der großlinigen Verteilung der Labialregister sollten möglichst nur langbecherige Zungenstimmen vorgesehen werden. Dank der relativ günstigen Finanzlage konnten am Schluss noch im Hauptwerk und im Pedal der Zungenchor vervollständigt werden.
Viel Überlegung wurde auf die Besetzung der Solo- und Begleitregister verwendet. Soloregister sind im Rückpositiv: Quinta dena 8', Flûte douce 4', Waldflöte 2', Nazard 23/3' und Sesquialtera 2fach. Begleitregister sind im Hauptwerk: Gedackt 8', Rohrgedackt 4' und Spitzgambe 8'. Auch der Principal 8' ist durchaus im Stande, Begleitaufgaben zu übernehmen. Ganz bewusst wurde im Rückpositiv die Zweifußlage doppelt besetzt. Die Oktave 2' erfüllt Plenofunktionen und übernimmt, mit der Rohrflöte 8' zusammen registriert, mehrstimmige Partien. Die Waldflöte 2" wird, mit der Rohrflöte 8' zusammen registriert, einstimmig gespielt, vorzugsweise in Triosätzen.
Weite Zweifußflöten verlieren bei mehrstimmigem Spiel viel von ihrem Charakter, der gespielte Satz klingt flach und ziemlich unplastisch. Der fünffache Kornett im Hauptwerk kann auch solistisch gespielt werden, begleitet vom Rückpositiv. Mit den Trompeten 8' und 4' zusammen ergibt der Kornett das sogenannte Grand Jeu, wie es die Franzosen wegen der farbigen Klangpracht nennen. Den physikalisch bedingten Lautstärkeabfall derZungenpfeifen im Diskant vermag der Kornett auszugleichen, ohne den typischen Charakter der Zungenregistrie-rung zu verwischen.
Es war das Ziel der Disposition, sämtliche Funktionen des Pleno- und Solospiels klar aufzuteilen, jedem Register die seiner Eigenart gemäße Spielweise zuzuordnen und jede Gruppe möglichst ohne Aussparung auszubauen. Die sehr genau und sorgfältig überlegten Mensuren konnten so den Charakter der einzelnen Register besonders unterstreichen.
Hauptwerk (oberes Manual) | Rückpositiv (unteres Manual) |
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Pedal untere Windlade | Pedal obere Windlade |
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Erbauer: Berliner Orgelbauwerkstatt GmbH Professor Karl Schuke
(Quelle: Die neue Orgel, Orgeleinweihung 1966, o. Autor, o. Jg. o.O.)